Das Männlich-Weibliche-Prinzip

Anmerkungen über das weibliche Prinzip

Anmerkungen über das männliche Prinzip

Allgemeine Bemerkungen

Folgerungen

Jeder Mensch hat männliche und weibliche Hormone. Es handelt sich bei den Geschlechtshormonen um Steroidhormone (auch als Lipidhormone bezeichnet), die nach ihren C-Gruppen unterschieden werden können: Die männlichen Hormone sind die C-19-Hormone, die weiblichen sind C-18-plus-etwas-Hormone; also: 18 C-Atome plus etwas, nämlich plus einem Benzolring, ein aromatischer, energetisch stabiler Ring.

Die besondere Fähigkeit der weiblichen Hormone ist die Dynamik (Beispiel: Die Sinnesorgane werden durch weibliche Hormone aktiviert).

Die besondere Fähigkeit der männlichen Hormone ist die Statik (Beispiel: in Stresssituationen trotzdem mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben).

Im unwillkürlichen Nervensystem finden wir eine Parallele: Der Sympathikus dynamisiert (z. B. um der freudigen Erregung Handlungsenergie zur Verfügung zu stellen; wird er überbetont, entsteht z. B. Sorge, es kann zu "Herzproblemen" kommen); der Parasympathikus statifiziert (z. B. um während des Schlafens regenerative Kräfte zu unterstützen; wird er überbetont, entsteht z. B. Angst, es kann dazu kommen, dass einem etwas auf den Magen "geschlagen" ist).

Im Hinblick auf den Geist unterscheide ich zwischen Intelligenz (dynamisch nach vorne gerichtet) und Ratio (annehmendes, verarbeitendes Denken). Entsprechend ihrer Dynamik wird Intelligenz vom weiblichen Prinzip getragen und Ratio vom männlichen.

Jeder Mensch hat in sich männliche und weibliche Anteile, die in Leib, Seele und Geist zur Wirkung gelangen wollen. Wie sie jedoch zur Wirkung gelangen können, hängt entscheidend vom Lebensstil (1) des Menschen ab. Das Unterbewusste entscheidet darüber, welche Anteile wie stark und wie und wo überhaupt zur Wirkung gelangen sollen und wann sie es dürfen.

Anmerkungen über das weibliche Prinzip

Die Frau ist in der Lage, Kinder zu gebären und zu nähren. Die Schwangerschaft ist ein aktiver Vorgang des Nährens, eine Aktivität des weiblichen Organismus. Der Geburtsvorgang ist ebenfalls ein aktiver Prozeß des Hergebens. Was innerhalb des Biologischen richtig ist, muss auch für die Seele und den Geist richtig sein, da der Mensch eine Einheit von Körper, Seele und Geist ist. Was im Leib geschieht, geschieht auch analog in der Seele und im Geist. Wir schließen von dem, was das Spezifische des weiblichen Körpers ausmacht, auf das weibliche Prinzip.

Die weiblichen Anteile der Frau geben ihr die Fähigkeit, dass sie gebären, nähren, aktiv sein und hergeben kann.

Wie sieht es nun im Geistigen aus?

Sprache und Denken werden im Geist von der Intelligenz erarbeitet und der Ratio zugeführt. Die Intelligenz ermöglicht das Denken und den Erwerb der Sprache. Aktivität des Denkens ermöglicht die Beweglichkeit des Denkens, also die Dynamik und Progression. Zu beidem gehört als Modus die Deduktion. So wundert es uns nicht, dass die Dynamik des Denkens von weiblichen Hormonen gesteuert wird.

"Thus, nanomolar concentrations of estradiol change the potassium (K+) permeability of the postsynaptic membrane of medial amygdala neurons within minutes, even in the absence of synaptic input or the presence of protein synthesis inhibitors. The activation by progesterone of calcium(Ca2+)channels in plasma membranes of human sperm only requires seconds and is one of the most rapid membrane effects of a steroid reported so far" (2),

("Daher verändern nanomolare Östradiol-Konzentrationen die Kalium (K+) -Permeabilität post- synaptischer Membranen der medialen Amygdala-Neuronen innerhalb von Minuten, sogar wenn keine synaptischen Eingaben vorgenommen werden oder wenn Protein-Synthese-Inhibitoren vorhanden sind. Die Aktivierung von Progesteron durch Calcium (Ca 2+)-Kanäle in Plasmamembranen des männlichen Spermas braucht nur Sekunden und ist einer der schnellsten Membraneffekte eines Steroids, von dem bisher berichtet worden ist.")

Wirkungen in der Seele:

Die Dynamik als Hauptbestandteil des weiblichen Prinzips ist auch in der Seele wirksam: Gefühle werden in ihrer Dynamik vom weiblichen Prinzip aktiviert.

Anmerkungen über das männliche Prinzip

Hat die Frau ein Kind geboren, an wen soll sie es geben? Es wird einleuchten, wenn wir sagen, an den Mann natürlich. Er erhält das Kind, er "empfängt" auf seine Weise. Bildlich: er schützt es mit seinen Armen, er wiegt es, er birgt es. Aufnehmen, Schützen und Bergen zähle ich zum männlichen Prinzip. Aufnehmen ist ein passiver Vorgang, schützen wollen ist zur Ratio, zur Vernunft zu zählen, Bergen und Bewahren gehören zum Sinn des Fremdwortes "konservativ". Vernunft benötigt Ruhe und Distanz und als Gegenströmung zur Dynamik und deduktiven Kraft der Intelligenz die Induktion.

So wundert es uns nicht, dass in überdynamischen Stressreaktionen männliche Hormone zur Gegensteuerung aktiviert werden.

Bei dieser Betrachtung ist natürlich entscheidend, dass wir das weibliche Prinzip (abgekürzt WP) nicht mit einem Menschen weiblichen Geschlechts und das männliche Prinzip (abgekürzt MP) nicht mit einem Menschen männlichen Geschlechts identifizieren.

Allgemeine Bemerkungen

Wir beobachten, dass in jedem Menschen männliche und weibliche Anteile vorhanden sind. Jedes Prinzip für sich allein praktiziert - würde den Tod des Menschen bedeuten. Ein Prinzip bedarf des anderen.

Gehen wir einmal modellhaft davon aus, dass eine Frau 51% Anteile des weiblichen Prinzips und 49% Anteile des männlichen Prinzips im Kern zur Verfügung habe, beim Mann dann also umgekehrt, um das Prinzip zu betonen und es nicht mit einem Menschen zu verwechseln.

Hormonschwankungen können sich aus dem Sachverhalt ergeben, dass der Lebensstil darüber entscheidet, was wo wie zur Wirkung gelangen soll. Wenn also jemand z. B. seine 51% Anteile am männlichen Prinzip voll im Körper zur Wirkung bringt, dagegen seine weiblichen Anteile z.T. stark unterdrückt, so kann ja nur gemessen werden, was meßbar in Erscheinung tritt. Eine Messung gibt also Aufschluß über die Hormon-Produktion als Effekt der inneren Einstellung (3).

Folgerungen

Wenn wir uns konsequent daran halten, dass der Unterschied zwischen den Anteilen relativ gering ist, wird deutlich, dass in keiner Weise von starren (dogmatisch und ideologisch verfestigten) Schemata für Verhaltensweisen (aversiv: die sogenannten Rollen) von Mann und Frau ausgegangen werden darf. Es lassen sich folgende Feststellungen treffen:

Die Rolle des "Heimchens am Herde" ist dem weiblichen Prinzip in keiner Weise als spezifisch zuzuordnen. Die Verdrängung der Frau aus den Möglichkeiten, aktiv, dynamisch und selbstbestimmt ihr "leben" zu gestalten, muss zwangsläufig zu Verschiebungen führen: die Bindung an Haus, Hof und Herd oder die Fixierung auf eine Existenzberechtigung als Dekoration für den Mann widerspricht den Möglich­keiten des weiblichen Prinzips. Häufig sind die Folgen sogenannte Zwangsneurosen (z. B. ermöglicht ein "Putzfimmel" das Ausagieren überschüssiger Dynamik und Aktivitätskapazität). Auf der anderen Seite führen überdynamisierte Lebensweisen des Mannes zu Herzinfarkten o.ä. (von hier aus lassen sich die sogenannten "Managerkrankheiten" sehr gut verstehen;. Der Mann ist also krisenanfälliger als die Frau, die Stress besser und leichter durchhalten kann. Es ist möglich, auch auf hormonellem Gebiet nachzuweisen, dass in Stresssituationen quantitativ unterschiedliche Hormonausschüttungen geschehen.

Auf sexuellem Gebiet lässt sich folgendes feststellen: Der Mann "wird" gereizt (passiv!) durch die Reize einer Frau. Sie selbst kann nur gereizt werden, wenn sie selbst dies will und zulässt, was ein eigenaktiver Vorgang ist. Das bleibt auch beim Koitus so: nicht der Penis reizt die Vagina (dieses Vorurteil kann dazu führen, dass der sog. vaginale Orgasmus als alleiniger und vollwertiger Orgasmus angesehen wird), sondern die Vagina reizt den Penis. Reize und Lust empfindet die Frau über ihr Ja zur sexuellen Aktivität (Hingabe = weibliches Prinzip) und der Annahme (= männliches Prinzip) dieses Ja durch den Mann und das Zusammenwirken von Klitoris und Vagina (unter Beteiligung anderer erogener Empfindungen). Werden beide als Organe bezeichnet, so ist die Vagina das aktive Organ (zum weiblichen Prinzip gehörend) und die Klitoris das passive Organ (zum männlichen Prinzip gehörend). Der Orgasmus der Frau wird, als passiver Vorgang, durch ihre männlichen Hormone gesteuert; da sie die männlichen Hormone bis ins Alter bewahrt, bleibt auch ihre Orgasmusfähigkeit bis ins Alter erhalten. Die Ejakulation des Mannes wird, als aktiver Vorgang eines Effekts (!), durch seine weiblichen Hormone gesteuert (Hingabe). Biologisch erweist sich dieser Zusammenhang als "notwendig" zur Arterhaltung. Die Spermien werden aktiv in die Empfängnisbereitschaft des weiblichen Organismus entlassen. Da ein Mann die weiblichen Hormone bis ins Alter bewahrt, bleibt auch seine Ejakulationsfähigkeit bis ins Alter erhalten.

Impotenz beim Mann ist häufig dadurch verursacht, dass er der "Macher" sein will; aber er kann ja selbst gar nicht machen, was nur an ihm geschehen kann! Ob die Aufforderung "nun tu' mal was" von außen kommt oder von der inneren unterbewussten Einstellung, sie führt zwangsläufig zum gegenteiligen Resultat.

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Anmerkungen

(1) Die Summe aller Verwundungserfahrungen und der notwendigen geistigen Einpassungsfolgen (zur weiteren Orientierung von Verhalten) bildet den unterbewussten Lebensstil eines Menschen; er wird zur Grundlage seiner Selbstvorstellung, die deshalb in ihrer Basis mit der möglichen Erfahrung des wirklichen Selbst solange nicht allzuviel zu tun hat, wie es dem Menschen unbewusst bleibt.

(2) Michael Schumacher "Rapid membrane effects of steroid hormones: an emerging concept in neuroendocrinology", in "Trends in neuroscience", Vol. 13, No. 9, S. 359.

(3) Siehe: Hyperathymie media, Hyperdynamie und Hyperathymie maxima

Aus: W. A. Siebel/T. Winkler: “Noosomatik Band I”, 2. Auflage, Dareschta Verlag, Wiesbaden, 1994